Die erneute Diskussion um die Verkehrsanbindung von Wittgenstein und Siegerland hat mich sehr betroffen gemacht. Die am Wochenende im Mattenbachtal gemachten Äußerungen möchte ich nicht unkommentiert stehen lassen.
Zunächst möchte ich betonen, dass die Route 57 für uns als Wittgensteiner:innen keine Bequemlichkeit ist, sondern eine Notwendigkeit für den Erhalt unserer Arbeitsplätze und der Wirtschaftskraft der Region.
Wir sind bereit weiterhin für eine verbesserte Anbindung zu kämpfen und lassen uns nicht durch unredliche und unehrliche Argumente einschüchtern.
Das ÖPNV-Angebot in Wittgenstein und von Wittgenstein nach Siegen ist überschaubar, wenn Frau Slawik dann von „klimaschützenden Mobilitätskonzepten statt Straßenbau“ spricht, ohne konkret und für unsere Region zu benennen, wie dieses Mobilitätskonzept aussehen soll, dann stößt mir das als Wittgensteinerin sauer auf.
Frau Kraft sieht die Wittgensteiner Arbeitsplätze ohne Route 57 nicht in Gefahr, für Herrn Becker ist die Notwendigkeit für die Route 57 nicht mehr gegeben, da viele Leute im Homeoffice seien. Das sollen die beiden doch gerne den Arbeiter:innen der EEW in Erndtebrück erklären, den Beschäftigten bei EJOT in Bad Berleburg und Bad Laasphe sowie zahlreichen weiteren Wittgensteiner:innen, die in der Industrie beschäftigt sind und sich ihren Arbeitsplatz nicht mal eben in’s Homeoffice verlagern können. Auch den Bewohnern des Ferndorftales in Kreuztal ist mit solchen Aussagen nicht geholfen. Den nächsten Besuch im Wahlkreis empfehle ich Frau Kraft und Frau Slawik dort, zur Hauptverkehrszeit. Dann müssen sich die Grünen-Politikerinnen der Realität stellen und erkennen hoffentlich die Notwendigkeit der Ortsumgehungskette auch für die Menschen im Siegerland.
Herr Henstorf setzte der Diskussion dann noch die Krone auf, als er kundtat, dass „eine Handvoll Wittgensteiner eine Straße für die Bequemlichkeit“ fordert.
Vierzigtausend Menschen sind sicherlich keine Handvoll. Diesen Menschen wird eine Verbesserung ihrer verkehrlichen Anbindung bereits seit Jahrzehnten wie die sprichwörtliche Karotte vor die Nasen gehalten. Passiert ist bisher nichts. So hält z.B. ein einziger Verein seit Jahren den Fortschritt bei der Verbesserung der Lebensader für ganz Wittgenstein auf. Wittgensteiner:innen haben bundesweit einen der zeitlich längsten Anfahrtswege zur nächsten Autobahnanbindung. Einige Menschen aus Kreuztal und Siegen können scheinbar nicht nachvollziehen was es bedeutet, wenn die Anfahrt zur nächsten Autobahnanbindung eine Stunde dauert, und nicht fünf bis zehn Minuten. Zudem ist die Streckenführung von und nach Siegen im gegenwärtigen Streckenverlauf energetisch nicht sinnvoll. Die jetzige Verkehrsanbindung ist ein echter Klimakiller mit zahlreichen engen Kurven und Steigungsstrecken sowie Umwegen und Staus in den engen Ortsdurchfahrten, mit erhöhtem Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoss. So wurde errechnet, dass ein LKW auf der Route 57 pro Strecke 20 Liter Dieselkraftstoff einsparen würde gegenüber der jetzigen Trassenführung.
Seit der Kommunalreform in den Siebziger Jahren mussten wir Wittgensteiner:innen erleben, dass mehr und mehr Dienstleistungen und Serviceangebote aus Wittgenstein nach Siegen verlegt wurden. Sei es die Dienststelle der eigenen Krankenkasse, des Kreises, medizinische Angebote, sogar die Impfstelle gab es zunächst nur in Siegen. Im Gegenzug wurden ÖPNV-Angebote in Wittgenstein immer weiter zusammengestrichen. Fahrten nach Siegen gehören zum Alltag für Wittgensteiner:innen, für Hin- und Rückfahrt alleine müssen bis zu zwei Stunden für jeden Termin eingeplant werden, mit ÖPNV werden das dann schnell vier Stunden. Das ist Lebenszeit, Arbeitszeit, das sind auch Kosten für Unternehmen, die zunehmend Wettbewerbsschädigend sind. Es hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun, dass die Route 57 für Wittgenstein und seine Menschen wichtig ist, es hat etwas mit Notwendigkeit und auch Respekt gegenüber den Menschen hier zu tun, die seit Jahrzehnten unter der schlechten Anbindung leiden.
Der Versuch Sanierungsprojekte gegen zur Sicherung der Wirtschaftskraft der Region notwendige Neubauprojekte auszuspielen ist unredlich und unehrlich.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Region Wittgenstein in den kommenden Jahren einen enormen Anteil am Ausbau der erneuerbaren Energien haben wird. Das verlangt von uns wiederum Opfer, dafür werden wir hier so viel Energie erzeugen wie ein halbes AKW, auch für das Siegerland.
Frau Kraft und Frau Slawik sollten nicht vergessen, dass die „Handvoll“ Wittgensteiner:innen mit ihren von der Transportlogistik abhängigen Industriearbeitsplätzen die Steuern erwirtschaften, die u.a. Naturschutzverbände für ihre Arbeit dann wiederum vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen. Hier sägen sie an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen.
In Siegen-Wittgenstein brauchen wir Lösungen, keine Ideologien.