Überlastung der Ziviljustiz – Bewältigung von Massenverfahren

Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. März 2023, erstmals über einen Antrag mit dem Titel „Kollaps der Ziviljustiz verhindern – Wirksame Regelungen zur Bewältigung von Massenverfahren schaffen“ (20/5560) beraten, den die CDU/CSU-Fraktion vorgelegt hatte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Massenverfahren, deren Zahl in den letzten Jahren zugenommen hat und die die deutschen Gerichte belasten, sind ein bekanntes Problem. Der Dieselskandal ist zum Symbol für diese Massenklagen geworden. In der jüngeren Vergangenheit hatten wir Klagen gegen Banken, Versicherungen und Fluggesellschaften.

Alles in allem kann man nicht sagen, dass diesbezüglich in den letzten Jahren nichts passiert wäre oder dass niemand daran arbeiten würde. Seit 2021 tagt die BundLänder-Gruppe zu dem Thema, und auch die Justizministerinnen und -minister der Länder haben sich mit dem Problem befasst, und das BFMJ arbeitet zurzeit an einem Gesetzentwurf.

Sie fordern in Ihrem Antrag, den Instanzenzug auf eine Tatsacheninstanz zu beschränken, was die Möglichkeit verbauen würde, Berufung einzulegen. Dies würde Rechtsuchende unverhältnismäßig in ihren Rechtsschutzmöglichkeiten beschneiden.

Ihre weitere Forderung, der Anwaltschaft Strukturvorgaben beim Parteivortrag aufzuerlegen, kann ich auch nicht teilen. Sie haben sicherlich schon mitbekommen, dass der Deutsche Anwaltverein daran massiv Kritik geübt hat. Als ehemalige Rechtsanwältin gefällt das auch mir nicht, das sage ich ganz ehrlich. Ich möchte selber für meine Mandantschaft entscheiden können, wann, wie und was ich vortrage.

Ihr Antrag ist auch abzulehnen, weil nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen die Anwaltschaft und auch die Mandantschaft es hinnehmen sollen, dass in Massenverfahren ohne ihre Zustimmung im schriftlichen Verfahren entschieden wird. Es gibt ja die Möglichkeit, wenn beide zustimmen, dass im schriftlichen Verfahren entschieden wird. Es zur Regelmäßigkeit zu machen, dass die Zustimmung automatisch erteilt wird, greift zu sehr in Parteienrechte ein, und das hilft auch bei Massenklagen nicht weiter. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie müssen wir jetzt für eine effektive Ausgestaltung Sorge tragen, und das können wir auch. Ich freue mich schon jetzt auf die dann breite Zustimmung der Union zu dem Gesetzentwurf.

Sie sind da jetzt ja ganz stark unterwegs. Ich freue mich auch auf Ihre Zustimmung, wenn wir die Hemmung der Verjährung, die dann zu regeln ist, für alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher vorsehen und nicht nur für diejenigen, die sich bei Anmeldung der Klage
im Register haben eintragen lassen.

Damit werden wir die Justiz entlasten, weil dann am Ende, wenn das Kollektivverfahren entschieden ist, der Rest der betroffenen und geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden kann, ob er sich noch in das Register eintragen lässt oder nicht. Mit der Verbandsklage geraten wir in die Situation, dass die Anwaltschaft ein großes Stück vom Kuchen abgeben muss, weil die Verbände eben zahlreiche Klagen an sich reißen werden. Deshalb bin ich stark irritiert über Ihre Forderung, jetzt auch noch die Rechtsanwaltsgebühren zu kürzen, schließlich wird die Anwaltschaft ja schon etwas abgeben müssen. Würden jetzt auch noch die Gebühren gekürzt, wären sie doppelt benachteiligt. Dass das dem Deutschen Anwaltverein nicht gefällt, versteht sich eigentlich von selbst.

Dass wir die Beweisaufnahme – Stichwort „Sachverständigengutachten“ – im Rahmen der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie so gestalten, dass wir diese auch in anderen Verfahren vielleicht noch mal verwenden können, wir also nicht erneut ein Sachverständigengutachten einholen müssen, obwohl es sich um den gleichen Sachverhalt handelt, ist natürlich zielführend. Ich gehe davon aus, dass das mitgedacht wird.

Abschließend: Ich bin absolut kein Fan von einer „One size fits all“-Entscheidung des BGH, wie sie so schön heißt, weil sie nämlich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die Möglichkeit nimmt, Details des Einzelfalls herauszuarbeiten. Ich gehe davon aus, dass, selbst wenn wir so ein Vorabentscheidungsverfahren hätten, die klugen Anwältinnen und Anwälte in diesem Land trotzdem die Besonderheiten des Einzelfalls herausarbeiten würden, sodass in diesen Fällen die Vorabentscheidung, die Sie so gerne hätten, gar nicht anwendbar wäre und die
Fälle dann doch in die Tatsacheninstanzen gingen.

Ich komme zum Schluss. Ihr Antrag überzeugt in vielen Punkten überhaupt nicht. Wir werden im Zuge des anstehenden Gesetzesvorhabens natürlich Sorge dafür tragen, dass die Justiz insbesondere in diesem Punkt entlastet wird.

Das war es dann. Vielen Dank.

Die ganze Rede können Sie sich auch hier angucken!