Wahlversprechen umgesetzt – Chancen-Aufenthaltsrecht und Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren im Bundestag beschlossen

Heute haben wir den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts, BT-Drs. 20/3717, und den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren, BT-Drs. 20/4327, in 2./3. Lesung abschließend im Deutschen Bundestag beraten. Damit haben wir die ersten Vorhaben des Koalitionsvertrags im Bereich Migration und Integration umgesetzt und den Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik eingeleitet.

Bild: SPD Bundestagsfraktion

Nach den Beratungen im Innenausschuss haben wir haben wir uns in den Verhandlungen mit unseren Koalitionspartnern noch für einige wichtige Änderungen eingesetzt, die von den Verbänden im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss geäußert wurden, und konnten gute Erfolge erzielen:

➢ Den Stichtag beim Chancenaufenthaltsrecht verschieben wir nach unserem Vorschlag vom 1. Januar 2022 auf den 31. Oktober 2022, sodass noch mehr Menschen vom neuen Chancenaufenthaltsrecht profitieren können. Somit tragen wir auch dem Umstand Rechnung, dass das Gesetzgebungsverfahren erst jetzt abgeschlossen wird. Den neuen Stichtag haben wir analog zum Koalitionsvertrag auch vor das Inkrafttreten des Gesetzes gelegt.

➢ Die Dauer des Chancen-Aufenthaltsrechts verlängern wir auf 18 Monate anstelle von 12 Monaten, sodass die Betroffenen sechs Monate länger Zeit haben, die Voraussetzungen für ein reguläres Bleiberecht nach §§ 25 a und b AufenthG zu erfüllen. Damit berücksichtigen wir die vielen Hinweise aus der Praxis, dass das eine Chancenjahr für die Betroffenen auf-grund verschiedener Hürden, wie der Wartezeit auf Integrationskurse, der Dauer der Passbeschaffung etc., möglicher-weise nicht ausreichend sei. Dabei war uns sehr wichtig, dass wir am Ende keine Regelung beschließen, die einen erhöhten Prüfaufwand bei den sowieso stark belasteten Ausländerbehörden bedeuten würde. So war z. B. eine Verlängerungsoption bei unverschuldeter Nichterfüllung der Voraussetzungen für ein Bleiberecht im Gespräch. Hier hätten die Ausländerbehörden allerdings bei jeder Nichterteilung eines Bleiberechts aufwändig das Verschulden oder Nichtverschulden prüfen müssen. Unsere Lösung einer generellen Verlängerung auf 18 Monate konnte an dieser Stelle überzeugen und hat sich durchgesetzt. Ein Familiennachzug ist während des Chancenaufenthalts trotz der zeitlichen Verlängerung nicht möglich.

➢ Wir werden auch für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige eine Härtefallklausel vorsehen, wenn sie im Falle einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. Auf unseren Vorschlag hin wird die bereits bestehende Regelung für das Bleiberecht bei nachhaltiger Integration für Erwachsene auch auf das Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige übertragen.

Im Rahmen der Änderungen führen wir Erleichterungen im Bleiberecht für Jugendliche und Heranwachsende ein, indem wir die Altersgrenze bei § 25a AufenthG auf das 27. (statt bisher 21.) Lebensjahr anheben sowie die Voraufenthaltszeit von vier auf drei Jahre reduzieren. Unser Ziel ist, die Bleiberechte gerade den langjährig Geduldeten zu ermöglichen, die sich trotz des unsicheren Status der Duldung gut integriert haben und bei denen ein Vollzug der Ausreisepflicht auf Zeit nicht in Betracht kommt. Um angesichts der verkürzten Voraufenthaltszeit von drei Jahren zu vermeiden, dass insbesondere nach einem langen Asylverfahren bereits kurz nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht ein Übergang ins Bleiberecht möglich ist, ist nunmehr eine Vorduldungszeit von zwölf Monaten vorgesehen. Dies gilt natürlich nicht für Betroffene, die aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht in ein reguläres Bleiberecht wechseln.

Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren, den wir als eigene Fraktionsinitiative ins Verfahren eingebracht haben, wollen wir die Verwaltungsgerichte und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entlasten. Insbesondere bei den Verwaltungsgerichten hat die große Zahl der Asylsuchenden, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen ist, zu einem erheblichen Anstieg der Zahl der Klageverfahren in Asylangelegenheiten geführt. Die Verwaltungs-gerichte bauen die anhängigen Verfahren zwar kontinuierlich ab. Doch trotz des großen Einsatzes der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter waren zum 31. Juli 2022 weiterhin 135.603 erstinstanzliche Verfahren anhängig. Bei einer Gesamtklagequote von 38,4 Prozent im Jahr 2021 und 33,5 Prozent zum 31. Juli 2022 ist absehbar, dass die Verwaltungsgerichte auch weiterhin stark belastet sein werden und Asylklageverfahren sehr lange dauern. Die durchschnittliche Dauer von Gerichtsverfahren betrug 26,6 Monate zum 31. Juli 2022. Auch beim BAMF sind viele Verfahren anhängig. Stand August 2022 gab es dort 100.377 anhängige Verfahren.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll die asylrechtliche Rechtsprechung vereinheitlicht und dadurch sowie durch weitere prozessuale Änderungen sollen die Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren weiter beschleunigt werden. Dazu werden wir u. a. eine sogenannte Tatsachenrevision beim Bundesverwaltungsgericht einführen. Das bestehende Prozessrecht im Asylverfahren führt zu einer Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung, weil ein und dieselbe Grundsatzfrage durch jedes Verwaltungsgericht einzeln geklärt werden muss. Durch die verstärkte Befassung des Bundesverwaltungsgerichts mit grundsätzlichen Fragen erhalten die Gerichte der unteren Instanzen Leitlinien und werden entlastet. Zudem werden dadurch verlässliche Prüfungsmaßstäbe für das BAMF geschaffen. Weitere prozessuale Änderungen sind u. a. die Regelung zur Erleichterung von asylgerichtlichen Entscheidungen im schriftlichen Verfahren oder zur Vermeidung von missbräuchlichen Befangenheitsanträgen. Außerdem wird es künftig keine Regelüberprüfung von Asylbescheiden mehr geben. Bisher wurden große Kapazitäten beim BAMF gebunden, weil die Überprüfung der Asylbescheide in jedem Fall nach Ablauf einer bestimmten Frist erfolgen musste, unabhängig davon, ob es für diese Überprüfung einen An lass gab oder nicht. Im Ergebnis wurde regelmäßig nur ein sehr kleiner prozentualer Teil der Asylbescheide beanstandet und zurückgenommen oder widerrufen. Widerrufs- und Rücknahmeverfahren erfolgen deswegen zukünftig nur noch anlassbezogen. Und wir garantieren Asylsuchenden endlich eine wirklich behördenunabhängige Asylverfahrensberatung, bei der auch vulnerable Gruppen identifiziert werden sollen. Gut vorbereitete und informierte Asylsuchende tragen zudem zu einer Verfahrensbeschleunigung bei. Das ist ein wichtiger SPD-Punkt, für den wir bereits in der letzten Wahlperiode den Grundstein gelegt haben.

Auch bei diesem Entwurf haben wir in den Berichterstattergesprächen Änderungen vereinbart. Wir werden die Qualitätssicherung in der Asylverfahrensberatung gesetzlich verankern. Darüber hinaus erleichtern wir den Beratungsstellen die Arbeit, indem wir die im Gesetzentwurf vorgesehenen strengen Löschungsfristen streichen. Damit berücksichtigen wir insbesondere auch die Interessen der Betroffenen, die ansonsten Gefahr laufen würden, über schlimme Erlebnisse, aus denen sich Vulnerabilitäten ergeben, immer und immer wieder erzählen zu müssen. Löschungspflichten ergeben sich zudem bereits aus der Datenschutzgrundverordnung. Schließlich führen wir eine Evaluierungsklausel ein, damit die Wirksamkeit der neu geschaffenen Tatsachenrevision drei Jahre nach Inkrafttreten überprüft wird.

Dass wir diese beiden Gesetze nun endlich beschließen, ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Signal: Wir beschleunigen auf der einen Seite die Verfahren, sorgen aber gleichzeitig für pragmatische Lösungen für viele tausende Menschen in Deutschland, die schon längst Teil unserer Gesellschaft sind.

Wir werden mit unseren Gesetzen nun den Bundesrat am 16. Dezember 2022 erreichen, sodass diese wichtigen Änderungen zeitnah in Kraft treten können.